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Alltägliches Spiel
Doris Jauk-Hinz nimmt die Kunst im öffentlichen Raum ernst Gern verwenden wir den Begriff der Spielwiese als erweitertes Beispiel dafür, dass sich dort etwas ausprobieren oder gestalten lässt. Das gilt für den privaten Bereich ebenso wie für wissenschaftliche oder gesellschaftspolitische „Tests“. Mit ihrem Projekt Alltägliches Spiel begibt sich Doris Jauk-Hinz in eine vergleichbare Situation: Sie richtet den Blick auf den Alltag ihrer Heimatstadt Kapfenberg und stellt an elf öffentlichen Orten sogenannte Schnappschüsse von 33 Personen aus. Dieses „Ausstellen“ löst sich jedoch entschieden von den traditionellen Präsentationsformen der Kunst ab. Es geht weder um die Dekoration eines Platzes noch um das Kunstwerk als Solitär, also als herausragendes, als besonders wertvolles Werk unter all den übrigen Alltagsgegenständen. Die Aura des Kunstwerks wird durch den Dialog der Bildwerke mit dem urbanen Raum und seiner sozio-kulturellen Struktur ersetzt. Mit dieser Entscheidung reiht sich Doris Jauk-Hinz in die aktuelle Praxis der Kunst im öffentlichen Raum ein. Dieser wirkt, beginnt man aufmerksam durch die Straßen der Städte zu wandern, ausverkauft: An die Wirtschaft mit ihrer Werbe- und Logoindustrie, an die Banken, die Verwaltung und an die Auftraggeber der unzähligen „Stadtmöbel“, die das nähere und fernere Panorama weitgehend bestimmen. Ist also der öffentliche Raum durch das Überladen mit Botschaften und Informationen bereits eine bankrotte historische Kategorie? Kann die Kunst nur mehr an einer weiteren Möblierung der Straßen und Plätze mitwirken? Muss sich die Kunst diesem Aufschaukelungswettbewerb auf dem Feld der Wahrnehmung stellen, um ihre Funktion ausüben zu können? Mit dem Begriff der Funktion – ein zentrales Thema einer Kunst, die den geschützten Bereich der Galerien und Museen moderner Kunst verlässt – sind entscheidende Weichenstellungen verbunden. War vom Schmücken und vom Dekor schon die Rede, wird mit dem architektonischen Bezugssystem, das nicht selten im Vordergrund bei der Beauftragung von Kunstwerken steht, ein weiterer kritischer Punkt zur Diskussion gestellt. Pointiert formuliert stellt sich zuweilen die Frage, ob Kunstwerke in der Lage sind und ob es mit ihrem immer wichtiger werdenden geistigen und gesellschaftlichen Potenzial zu verbinden ist, dass sie missglückte Platzgestaltungen, sterile Fußgängerzonen usw. quasi nonchalant korrigieren sollen. Seit gut zwanzig Jahren haben avancierte KünstlerInnen und KuratorInnen, haben aber auch die Auftraggeber erkannt, dass sich die Sprachebenen und die Sprachformen der Kunst im öffentlichen Raum verändern müssen, soll die Funktion der Kunst als eines der wenigen verbliebenen unabhängigen, nicht irgendwelchen Direktiven unterliegenden Kommunikationszentren aufrecht erhalten und notwendigerweise sogar gestärkt werden. Damit soll auch das Risiko ausgeschaltet werden, dass Kunstwerke in aufdringlicher und weithin sichtbarer Form nur mehr als „Kunstzutaten das ästhetische Alltagsmenü vollenden“. Alltägliches Spiel in Kapfenberg nimmt unmittelbar auf die Stadt Bezug. In den lebensgroßen Fotos von Männern und Frauen, von Schülern und Schülerinnen wird nicht eine außergewöhnliche Körpersprache ins Zentrum gerückt, sondern der alltägliche Bewegungsablauf, um von einem Ort zum andern zu kommen, zur Bildungsanstalt, vom Einkaufen usw. Diese lebensgroßen Bildtafeln, auf denen die Menschen vor der Folie ihres Lebensraums die Stadt durchqueren, sind in erster Linie Zeugnisse von Mobilität und Dynamik. Diese können für sich, aber wohl auch als Symbol gelesen werden: Für eine rege Stadt, für die Mobilität der BewohnerInnen für den Weg in die Zukunft. Dass im Ort die Menschen des Orts zu den Hauptdarstellern werden und nicht irgendwelche Models aus den globalen Pools der Werbemaschinerie, zeigt, wie ernst Doris Jauk-Hinz die konstruktiven Möglichkeiten einer Kunst, die auf die Straße geht, dorthin, wo nicht nur Kunstliebhaber sich bewegen, nimmt. Die Dramaturgie des „Spiels“ gipfelt im Fahnenensemble vor dem Rathaus. Das Tuch, das üblicherweise für festliche Anlässe, für Repräsentationszwecke des Staates oder der Stadt verwendet wird, trägt nun nicht die Nationalfarben, sondern das Abbild von zufällig ausgewählten Kapfenbergerinnen und Kapfenbergern. Auf diese Weise gelingt es dem künstlerischen Konzept, das Thema der Hierarchien aufzugreifen und zu vermitteln, das heißt anzuregen, sich dezidiert darüber Gedanken zu machen, wem letztlich der öffentliche Raum gehört. Dass darüber mehr denn je zu diskutieren ist, führt uns das Bild der Städte überdeutlich vor Augen. Im Zeitalter der Event- und Werbegesellschaft ist es nicht mehr selbstverständlich, zwischen den täglichen Verführungen ausreichend Platz zu finden, um die klassische Piazza als schlichten und unverstellten Kommunikationsort nutzen zu können. In ihrem Bewegungsdrang lassen die Abgebildeten vermuten, sich diesen persönlichen Aktionsraum erhalten zu können. Werner Fenz |
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