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LUST:Wandeln


Installation, 2015
kunstGarten Graz


Die für den kunstGarten entwickelte Installation "LUST:Wandeln" weist auf die Bedeutung des Bodens für den menschlichen Körper hin und imaginiert mittels kultureller Fußabdrücke die Körpernähe und Position von Tanzenden am Beispiel des Walzers. Die Übertragung des ursprünglich auch unter freiem Himmel getanzten Volkstanzes auf das "glatte Parkett" des Innenraums der "feinen" Gesellschaft des 19. Jahrhunderts zeigt den Kultivierungsprozess und die Herrschaft über die Natur, vor allem die der Frau.
Die neuerliche Übertragung zurück auf die "Wiese" bringt die Natur wieder ins Spiel. Die Vorschrift der Tanz-Bewegung in den Garten zurückgeführt demonstriert diesen Prozess: Ausschnitte des Tanzparkettbodens in Form von Walzerschrittabfolgen als "Fußspuren" auf die Wiese gelegt zeigen die Körpernähe walzender Bewegungen von Tanzenden und räumen der Lust an diesem Tanz, die durch harmonisches Miteinander von Menschen entstehen kann, den gebührenden Platz ein.

Text: Doris Jauk-Hinz / Irmi Horn
[LUST:Wandeln, Foto: Julian Jauk]

[LUST:Wandeln, Foto: Julian Jauk]
Foto: Julian Jauk
[LUST:Wandeln_2015, Foto: kunstGarten]
Foto: kunstGarten

Der Garten ist ein sich ständig wandelnder Schauplatz von Natur und Kultur, ein kultureller Boden zwischen Naturgestaltung und künstlicher Machbarkeit. Der Boden an sich fungiert als Träger kultureller Fußabdrücke und trägt die Spuren zivilisatorischer Gestaltungsformen in sich - sowohl im Außenraum des gestalteten Gartens wie auch im Innenraum von Gebäuden.
Die Bedeutung des Bodens für den menschlichen Körper zeigt sich in unserem alltäglichen Sprachgebrauch, aber auch in seinem körperlichen Gebrauch. Redensarten verweisen metaphorisch auf Beziehungen des Menschen zum physischen wie kulturellen Boden und bezeichnen damit gesellschaftliches Fallen. Aussagen wie zB „auf dem Boden bleiben / den Boden unter den Füßen verlieren / im Boden versinken“ oder „auf glattes Parkett wagen / auf glattem Parkett ausrutschen“ thematisieren Abweichungen von codiertem Verhalten.

Oftmals im Widerstreit von Natur und Kultur ist der Boden jedoch auch ein Terrain des Lustwandelns, beispielsweise in der Form des Tanzens. Gesellschaftliche Konventionen sprengte zB der ursprünglich aus der Volkskultur stammende und auch auf der Wiese unter freiem Himmel getanzte Walzer. Körpernähe und ekstatische, wilde walzende Drehbewegungen waren auf dem Parkett des Gesellschaftstanzes der Hochkultur verpönt und verboten.

Ende des 18. Jahrhunderts wetterte Marianne Ehrmann* im süddeutschen Raum gegen einen „unsittlichen und für die Gesundheit so gefährlichen“ Tanz: „giebt es wohl einen scheußlichren unvortheilhaftren Anblik, als den eines vom Tanz erhizten, von Sinnlichkeit glühenden weiblichen Gesichts? Die Augen ragen aus ihm hervor, sie bekommen violette Ringe, oder glänzen grell und fürchterlich, ein Schweißtropfen jagt den anderen über die verzerrten in Unordnung gebrachten Gesichtszüge hinab. Der weibliche zur Sanftmuth geschaffene Blik bekömmt etwas wildes, lüsternes, sinnliches, der Stimme fehlts am Athem, dem Ton an süsser Harmonie, den Gliedern an Kräften“. …“Was nicht oft für eitle eroberungssüchtige Grimassen, für unsittliche Bewegungen und Blikke, besonders bei dem häßlichen Schwäbischen Walzer, was für lächerliche Geberden und Drehungen, die der schönen, einfachen Natur Hohn sprechen, erblikt man nicht oft bei den Tanzenden?“


*Marianne Ehrmann (1755-1795), Schauspielerin, Schriftstellerin, Journalistin, Verlegerin der Frauenzeitschrift Amaliens Erholungsstunden Schwäbischer Walzer, eine Frühform des Walzers

[Eröffnung LUST:Wandeln, Fotos: kunstGarten, Julian Jauk, Helga Ibekwe-Schatzig]
Eröffnung: 12.September 2015
Fotos: kunstGarten, Julian Jauk, Helga Ibekwe-Schatzig



Dank an: kunstGarten, Graz / Tischlerei Niegelhell, Graz / Meyer Parkett, Kalsdorf

[kunstGarten] [Tischlerei Niegelhell] [Meyer Parkett]

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